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Reicht der Strom, hält das Netz?

Die eZone hat Andreas Reinhardt, Leiter des Bereichs Energiedienstleistungen bei der LINZ AG und Vorsitzender im Bundesverband Elektromobilität Österreich (BEÖ), um seine Sicht auf die großen Fragen rund um die Stromversorgung gebeten.

Unser Stromnetz und die Elektromobilität: Fakten vom Fachmann.

Der Linzer Andreas Reinhardt war bei der LINZ AG für den Netzbau und maßgeblich für den flächendeckenden Smart Meter Ausbau verantwortlich. Seit 2016 engagiert sich der Vater von zwei Töchtern darüber hinaus als Vortragender für Energiethemen und Elektromobilität an der Fachhochschule Hagenberg. Er hat sich seit seinem Studium der Elektrotechnik immer wieder mit der Gestaltung der Zukunft beschäftigt: „Das Thema Klimawandel – was können wir tun dagegen und wie kann dieser Wechsel gelingen – ist ein so wichtiges Thema, das meine Kreativität anregt und das ich gerne mit engagierten Kolleginnen und Kollegen im eigenen Unternehmen aber auch darüber hinaus gestalten möchte. Mir macht Veränderung Spaß und mit der E-Mobilität passiert ein großer Veränderungsschritt in unserer Gesellschaft.“

 

Der Umstieg auf Elektromobilität in Österreich geht mit einem insgesamt höheren Strombedarf einher, der aus erneuerbaren Energiequellen stammen muss. Selbst der aktuelle „Faktencheck E-Mobilität“ bezeichnet die Erreichung dieses Ziels „ambitioniert, aber machbar“; manche Kritiker glauben, dass die Energiewende zu schnell umgesetzt wird und der dafür benötigte Strom nicht vorhanden sein wird. Das österreichische Parlament beschloss 2021 ein Gesetz zum Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen. Dieses gibt vor, die Produktion von erneuerbarem Strom bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu heute um rund 50 % zu steigern. Woher soll also der zusätzlich benötigte Strom für die E-Mobilität in Österreich kommen?

Reinhardt: Der Ausstieg aus fossiler Energie und den vollständigen Ersatz durch erneuerbare Energie ist für uns alle eine große Herausforderung, zumal wir bereits viel zu viel Zeit mit Diskussionen verstreichen haben lassen, ohne engagiert zu handeln. Ein Energieversorgungssystem, das über Jahrhunderte gewachsen ist, in kurzer Zeit vollständig auf alternative Quellen umzurüsten, ist ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Allerdings ist die Umstellung des PKW-Verkehrs auf Strom als Antriebsenergie mit 15 Prozent des österreichischen Stromverbrauchs durchaus machbar. Andere Bereiche, wie etwa die Stahl-, Zement- und Düngemittel-Industrie, und vor allem auch die Raumwärme, erfordern hier wesentlich höhere Anstrengungen. Auf Grund der gesamten Energiemengen wird es in Europa weiterhin Energieimporte geben müssen, da wir diese Mengen innerhalb Europas nicht vollständig bereitstellen können. Parallel zum Ausbau der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten wird bereits intensiv an Lösungen innerhalb von Österreich und in den EU-Staaten gearbeitet.

 

Wie werden die österreichischen Stromanbieter diese Vorgabe erfüllen?

Reinhardt: Die Energieunternehmen aber auch die gesamte Bevölkerung sind an vielen Stellen gefordert einen Beitrag zu dieser Umstellung zu leisten. Aus der Energiestrategie 2030 und dem Erneuerbare Ausbaugesetz (EAG) geht klar der Wunsch der Bundesregierung hervor, nicht allein die Energiekonzerne zu beauftragen, sondern alle Österreicherinnen und Österreicher einzubinden, etwa durch PV-Anlagen auf Dächern und Erneuerbare Energiegemeinschaften. Natürlich kommt den Energieunternehmen und Stromanbietern weiterhin eine zentrale Rolle im System zu und diese werden sie weiterhin mit der für Österreich typischen Versorgungsicherheit erfüllen. Mit dem Ausbau von Solarkraftwerken, Windparks, Fernwärmesystemen und nicht zuletzt einem dichten und intelligenten Ladestellennetz werden innerhalb Österreichs alle Potenziale analysiert und ausgeschöpft. Bei der Geschwindigkeit stoßen wir aber oft an Grenzen. Es gibt viele Interessen, die es zu Recht zu berücksichtigenden gilt. An der Stelle stehen wir uns oft selbst im Weg, etwa mit langen Genehmigungsverfahren und anderen bürokratischen Hürden.

 

Hält unser Stromnetz dem Ausbau der Elektromobilität stand, können die Netze den Ladebedarf verkraften oder drohen Blackouts? Wie müssen wir unsere Netze und Gewohnheiten ändern, damit der Wechsel zur E-Mobilität vollzogen werden kann?

Reinhardt: Dazu sage ich klar: JA, unser Stromnetz hält den Umstieg auf E-Mobilität aus. Und dabei denke ich weit über das Elektroauto hinaus. Es werden in Zukunft auch E-LKW und viele andere Gütertransporte hinzukommen. Hier stehen wir erst am Anfang. Natürlich geht das einher mit einem weiteren Netzausbau, wie wir ihn bereits ein Jahrhundert lang mit großem Erfolg betreiben. Ich sehe die drohende Gefahr eines Blackouts – also eines mehrtägigen großflächigen Stromausfalls, wie man ihn in Büchern und kürzlich als Film beschrieben findet – als eine weitgehend übertriebene Befürchtung. Natürlich müssen wir unsere Netze weiterentwickeln und das schneller als bisher, aber dabei spielt die E-Mobilität eher eine untergeordnete Rolle. Wir haben in Linz mit dem Forschungsprojekt ‚Urcharge‘ nachweisen können, dass man auch im großvolumigen Wohnbau viele E-Autos gleichzeitig laden kann, ohne Hausanschlussverstärkung und ohne dass sich die Bewohner:innen gegenseitig das Licht ausknipsen. Mit ein wenig Intelligenz können wir mit dem Anstieg der Anforderungen an das Netz gut schritthalten. Ich bin zuversichtlich, dass wir an der Herkulesaufgabe ‚Ausstieg aus fossilen Energien‘ als Gesellschaft wachsen werden. Wir müssen es nur angehen. E-Mobilität wird ein Teil davon sein. Davon bin ich überzeugt!

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